Psychische Belastung am Arbeitsplatz

Wir brauchen Schutz vor Stress

26.01.2012 | Die IG Metall ist ein wesentlicher Treiber beim Thema Arbeitsstress. Sie fordert mit ihrer Anti-Stress-Initiative, dass es endlich eine verbindliche Verordnung gibt, an die sich die Unternehmen halten müssen. Denn die Erfahrung zeigt: Die bisherige "freiwillige Rahmenvereinbarung" bringt so gut wie nichts.

Der Arbeits- und Gesundheitsschutz ist hierzulande gut geregelt: Zur Lärmbelastung,  Arbeitsplatzgestaltung, zum Umgang mit Gefahrstoffen und vielem mehr gibt es auf der Basis des Arbeitsschutzgesetzes konkrete und verbindliche Schutzregeln, die zur Sicherheit unserer Arbeitsplätze beitragen. Aber: Der Faktor arbeitsbedingter Stress ist bislang eine Lücke im Arbeitsschutz. Das will die IG Metall ändern. Stress geht uns alle an

Die Fakten zur psychosozialen Belastung in der Arbeitswelt zeigen, wie dringend etwas getan werden muss. Dabei geht es einerseits um die Beschäftigten selbst. Wer von Stress, Erschöpfung oder gar Burnout betroffen ist, findet nur schwer zu seinem psychischen Gleichgewicht und zu seiner Leistungsfähigkeit zurück. Andererseits geht es um die Auswirkung auf die Betriebe sowie auf das Gesundheitssystem: Das Statistische Bundesamt meldet, dass die Behandlungen psychischer Erkrankungen jedes Jahr um die 27 Milliarden Euro kosten. Und den betrieblichen Produktionsausfall schätzen Experten auf 26 Milliarden Euro. Arbeitsstress kann man also als Zeitbombe einordnen, die sowohl vielen einzelnen Beschäftigten als auch der Gemeinschaft schadet.

Die Schutzlücke schließen mit wirksamen Maßnahmen

Die "Anti-Stress-Initiative" der IG Metall hat das Ziel, den Schutz vor psychischer Gefährdung in der Arbeit in eine konkrete Verordnungen zu fassen. Das Arbeitsschutzgesetz gibt dafür den Rahmen vor. "Ich fordere Arbeitsministerin Ursula von der Leyen auf, die Schutzlücke bei psychischen Gefährdungen  zu schließen", sagte Hans-Jürgen Urban auf einer Pressekonferenz in Berlin. Es geht Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, um eine Verbindlichkeit, an die sich Arbeitgeber halten müssen. Da Stress schwerer zu erfassen ist als körperliche Arbeitsbelastungen, zeigte er Beispiele auf. Die Verordnung solle etwa Regeln für Lage und Verteilung von Arbeitszeiten, zum Vorgesetzten-Verhalten, zur Taktung von Arbeitsabläufen oder auch zu Grenzen für Belastung durch Projektarbeit enthalten, sagte Urban.

Zu der Initiative gehört auch, dass die IG Metall den Austausch mit Wissenschaftlern vertiefen wird. Zum Beispiel mit Gesundheitswissenschaftlern, mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie und mit Arbeitsschutz-Juristen. Es gibt aus diesen Bereichen bereits viele Mitstreiter, die das Thema Stress in der Arbeitswelt auch längst als bedenklichen Trend erfasst haben.

Der Gesundheitswissenschaftler und Leiter der Forschungsgruppe Public Health, Rolf Rosenbrock, erklärt: "Das zentrale Problem ist nicht das Fehlen von allgemeinen gesetzlichen Vorschriften oder Mängel an gesichertem Wissen. Sondern der Unwille in der Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland, den Vorschriften zu folgen und das Wissen zu nutzen." Aus seiner gesundheitswissenschaftlichen und -politischen Sicht begrüßt er jede Initiative, die die Thematik auf die betriebliche und politische Tagesordnung bringt.

Regeln, handeln, schützen

Ohne Regeln und Kontrolle passiert zu wenig. 68 Prozent der IG Metall-Betriebsräte gaben in einer Umfrage an, dass seit der Wirtschaftskrise Stress und Leistungsdruck stark oder sehr stark zugenommen haben. Ein wirklich wirksamer Schutz der Beschäftigten kann nur zustande kommen, wenn es Regeln gibt, die zum Handeln führen. Alle Akteure brauchen dafür einen verbindlichen Rahmen.